Potenzialstudie für Wasserstoffspeicher-Mini-Grids in Chile
Projektbeschreibung
In diesem Auftragsforschungsprojekt untersuchte das RLI den Einsatz von grünem Wasserstoff als Ersatz für die bestehende Dieselstromversorgung für drei exemplarische Mini-Netze (Mini-Grids) in Chile.
Min-Grids, manchmal auch als Mikro-Grids oder Inselnetze bezeichnet, sind lokal abgegrenzte und in sich geschlossene Stromnetze, die mehrere Haushalte oder Unternehmen mit Strom versorgen. Sie können von verschiedenen fossilen und erneuerbaren Energiequellen gespeist werden, zum Beispiel von Photovoltaikanlagen (PV), Windturbinen, Wasserkraftwerken oder Dieselgeneratoren. Um die Versorgungsstabilität zu gewährleisten, enthält ein Mini-Grid oft auch Batteriespeicher.
Wasserstoff als Speichermöglichkeit für überschüssigen Strom
In sogenannten Hybridsystemen kombinieren Mini-Grids mehrere Arten der Stromerzeugung, etwa die Kombination von Dieselgeneratoren mit PV-Anlagen oder Windrädern. Dies geschieht häufig, um saisonale oder wetterbedingte Schwankungen auszugleichen, da die Erneuerbaren Energien oft nicht ausreichen, um zu jeder Tages- oder Jahreszeit Strom zu liefern. Diesel dient dann als Reserve, um die Versorgungslücke zu überbrücken. Um ein Mini-Grid zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien zu speisen, muss das Diesel-Back-up entweder durch eine andere grüne Stromquelle oder durch eine Batterie ersetzt werden, die das Netz versorgen kann, wenn die Erzeugung gering ist. Eine Form einer Batterie oder eines Energiespeichers könnte Wasserstoff sein. Durch Elektrolyse kann überschüssige Energie in Form von Wasserstoff und Sauerstoff gespeichert werden. Der Wasserstoff kann dann zur Stromerzeugung genutzt werden, wenn das Angebot an Erneuerbaren Energien gering ist. In einem der konkreten Fälle in diesem Projekt kann auch der Sauerstoff für eine Fischzucht bereitgestellt werden.
Berechnung anhand konkreter Anwendungsfälle
In diesem Projekt standen drei verschiedene Mini-Grid-Standorte in Chile im Fokus. Sie sind nicht an das nationale Stromnetz angeschlossen und nutzten in der Ausgangssituation Diesel als Hauptstromquelle. Das RLI analysierte diese Mini-Netze mit dem MVS-Tool, um herauszufinden, ob Wasserstoffspeicher eine praktikable Lösung sein könnten, um Diesel durch erneuerbare Energiequellen zu ersetzen.
Die drei in dieser Studie analysierten Mini-Grids:
Inselnetz Melinka – eine Hafenstadt mit 1.300 Einwohnern auf einer physischen Insel. Sie wurde ursprünglich mit einem teuren Dieselversorgungssystem versorgt, das eine starke Subventionierung erforderte, um die Energietarife für die Einwohnenden niedrig zu halten.
Aysén – eine Region mit 100.000 Einwohnern mit einem ursprünglichen Energiemix aus Diesel und Wasserkraft.
Multiexport – ein Standort für Fischzucht und damit verbundene Industrie. Während grüner Wasserstoff den Anteil Erneuerbarer Energie des Standorts erhöhen kann, kann das Nebenprodukt Sauerstoff im Prozess der Fischzucht selbst genutzt werden.
Selbst entwickeltes Open-Source-Tool kommt zum Einsatz
Das vom RLI entwickelte MVS-Tool ist eine Open-Source-Simulationssoftware, die die Simulation und Optimierung von Multivektor-Energiesystemen ermöglicht. Durch die Einspeisung von Informationen aus dem bestehenden Energiesystem, wie etwa Energiesystem-Assets, Verbrauchsdaten und ökonomische Daten in das Tool, wurde das günstigste Energiesystemdesign für die Mini-Grids ermittelt. Dies umfasste sowohl die vorgeschlagenen zu installierenden Kapazitäten, als auch deren Betrieb und die spätere wirtschaftliche und technische Performance des Systems.
Die Studie gab schlussendlich Empfehlungen ab für die Deutsch-Chilenischen Industrie- und Handelskammer, die die Studie in Auftrag gab. Sie enthielt mehrere Auslegungsoptionen für die drei Mini-Netze mit Wasserstoff als Energiespeicher.
Projektlaufzeit: Mai – Juli 2021
Aufgaben
- Sammeln der Eingangsdaten des Auftraggebers
- Aufstellen eines Beispielszenarios als Grundlage für die Diskussion und Definition der nachfolgenden Szenarien gemeinsam mit dem Auftraggeber
- Organisation und Durchführung eines Workshops zur Diskussion des Vorgehens, der Auswahlkriterien und der Szenarien
- Aufbau und Auslegung der technisch-wirtschaftlichen Systeme für die drei definierten Szenarien
- Sensitivitätsanalysen der drei Szenarien durch Variation der Eingangsdaten
Ergebnisse
Drei potentiellen Wasserstoffstandorte wurden simuliert und optimiert:
- Beim Inselnetz in Melinka ist durch die hohen Dieselpreise bereits jetzt ein Einsatz von Wasserstoff als Speicher von erneuerbar erzeugtem Strom wirtschaftlich, und kann so einen erheblichen Zubau an PV und Windkraft ermöglichen.
- Für die Region Aysen ergibt sich derzeit eine wirtschaftliche Installation einer Pilotanlage zur Speicherung von Strom in Wasserstoff. Die Wirtschaftlichkeit ist hier an einem Wendepunkt, dh. geringe Dieselpreissteigerungen oder Kostensenkungen von Wasserstoffkomponenten werden in ungleich höherer Kapazität der Pilotanlage resultieren. Ein erheblicher Ausbau von Photovoltaik ist auch hier zu empfehlen.
- Für den Fischerei- und Industriestandort Multiexport ergibt sich derzeit keine wirtschaftliche Nutzung von Wasserstoff als Stromspeicher. Hier sollte allerdings in Zukunft die Ko-Generation von Sauerstoff durch die Elektrolyse untersucht werden, da dieser Sauerstoff am Standort weiter genutzt werden kann.