22. – 24.03 | openmod-Workshop
22. März 2023
28. – 29.03. | 17. Internationaler MTZ-Fachkongress Zukunftsantriebe
28. März 2023
22. – 24.03 | openmod-Workshop
22. März 2023
28. – 29.03. | 17. Internationaler MTZ-Fachkongress Zukunftsantriebe
28. März 2023

So hilft Open Science wissenschaftliches Arbeiten zu verbessern

Titelbild News OS

22. März 2023 | Wissenschaftler:innen am Reiner Lemoine Institut (RLI) orientieren sich an den Prinzipien von Open Science und versuchen, einen Großteil ihrer wissenschaftlichen Arbeit zugänglich zu machen. In einem Eckpunktepapier unterstützt auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) das Prinzip Open Science und sieht darin erhebliche Mehrwerte für die Wissenschaft, Wirtschaft, Gesellschaft und Fördermittelgebende.

Editha Kötter leitet am RLI den Forschungsbereich Transformation von Energiesystemen. Sie erklärt zusammen mit Ludwig Hülk, der dort für das Themenfeld Open Science und Forschungsdatenmanagement zuständig ist, welche Vorteile der Ansatz bietet, welche Rahmenbedingungen es gibt und nennt Beispiele aus der Praxis.

 

Open Science in einem Satz. Worum geht es?

Editha Kötter: Bei Open Science (OS) geht es darum, möglichst viele Materialien, Werkzeuge und Ergebnisse des wissenschaftlichen Arbeitsprozesses öffentlich zugänglich zu machen.

Ludwig Hülk: Ziel ist es, eine Weiternutzung inhaltlich, technisch und juristisch zu ermöglichen.


Und warum ist das wichtig? Wo seht ihr die größten Stärken von OS?

Editha: Wissenschaftliches Arbeiten wird effizienter, da Doppelarbeit reduziert und die Nachnutzung der Erkenntnisse gesteigert wird. Das erleichtert Kooperationen und Kollaborationen und setzt öffentliche Fördergelder nachhaltig ein. Energiewende ist jetzt wichtig. Und ich meine, sie ist wichtiger als sich in den klassischen Strukturen zu beweisen. Diese sind leider langsam und erschweren es anderen Interessierten auf erzielte Ergebnisse aufzubauen.

Wir sehen auch den Erfolg: Seit 2015 entwickeln wir die Open Energy Platform (OEP) als Infrastruktur für offene Daten und Modelle im Energiebereich. Dort arbeiten inzwischen viele Forschende in zahlreichen Projekten effektiv zusammen. Das BMWK hat die Relevanz von OS erkannt und entwickelt das Thema förderpolitisch im Schwerpunkt Energiesystemanalyse. Außerdem fordert das Ministerium in seinem aktuellen Eckpunktepapier für diesen Forschungsbereich: Wo es nicht ausgeschlossen ist, soll Open Science zum Verwertungsstandard werden. Als bevorzugter Speicherort für systemanalytische Daten und Ergebnisse soll die OEP dienen.


Warum ist Open Science gerade in der Energiesystemforschung wichtig und erfolgreich?

Ludwig: Energiesystemforschung ist ein sehr theoretisches und datenintensives Arbeitsfeld. Wir benötigen eine große Menge verschiedener Daten: zum Beispiel Geodaten der Anlagen, die Strom aus Erneuerbaren Energien produzieren, Daten der Energie-Infrastruktur, sowie technische und ökonomische Parameter. Am besten hoch aufgelöst, aus der Vergangenheit und unter Berücksichtigung möglicher Entwicklungen als Annahmen für die Zukunft. Damit erstellen wir Modelle mit unterschiedlichen Szenarien von Energiesystemen, die bestimmte Anforderungen erfüllen – beispielsweise die Klimaziele der Bundesregierung in einem bestimmten Zeitraum zu erreichen. Um den hohen politischen und gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden ist neben validen wissenschaftlichen Erkenntnissen sehr viel Transparenz und Reproduzierbarkeit notwendig. Open Science ist dafür der am besten geeignete Weg.


Könnt ihr das an einem Beispiel erklären?

Editha: Für Agora Energiewende haben wir ein Web-Tool entwickelt, das unterschiedliche Geodaten nutzt, um potenzielle Flächen für Windenergieanlagen oder Freiflächen für Photovoltaik zu finden. Das zugehörige Datenpaket haben wir anschließend veröffentlicht – insgesamt rund 700 Megabyte als Open Data. Damit können jetzt Planungsbüros oder Projektentwickler:innen weiterarbeiten. Mit Hilfe der Daten können sie bei ihrer Arbeit Bedingungen wie Abstände von Windkraftanlagen zu Siedlungen variieren oder die Nutzung von Waldflächen und Landschaftsschutzgebieten in die Planungen einbeziehen. Jeder oder jede einzelne braucht sich nicht aufwändig selbst um die Daten zu kümmern. Das haben wir ja schon für ganz Deutschland gemacht. So kann auch die Energiewende beschleunigt werden.


Wie kam es am RLI zum OS-Ansatz und wie hat sich das Thema entwickelt?

Editha: Am RLI haben wir schon früh beschlossen, Energiesysteme nach dem Prinzip von Open Source und Open Science zu modellieren. Unsere ehemalige Forschungsbereichsleiterin Berit Müller hat sich seit Gründung des RLI im Jahr 2010 dafür stark gemacht – gegen viel Skepsis und Widerstände. Vor zehn Jahren gab es außerhalb des RLI kaum Forschungseinrichtungen, die bereit waren Berechnungsmodelle oder Daten in großem Umfang öffentlich zu machen – obwohl diese mit öffentlichen Mitteln gefördert wurden. Statt weiter zu warten bis sich andere bewegen, haben wir am RLI entschlossen selbst aktiv zu werden.


Was habt ihr konkret unternommen?

Editha: Schon 2012 starteten die ersten Doktorarbeiten bei uns am RLI mit dem Grundsatz von Open Source und Open Science, sowie die Mitgründung der openmod Initiative als Austauschforum. Das RLI hat außerdem maßgeblich das Open Energy Modeling Framework (oemof) mitentwickelt. Ein Open-Source-Werkzeug, das zur Modellierung und Analyse verschiedener Energiesysteme dient und heute in vielen Forschungsprojekten weltweit eingesetzt wird. 2015 wurde dann mit dem Verbundprojekt open_eGo die OEP sowie ein offenes Tool für Netzbetrachtungen ergänzt.

Ludwig: Die OEP bietet substantielle Infrastruktur für Forschungsdaten. Wir entwickeln und betreiben gemeinsam mit Partnerorganisationen wie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, dem Öko-Institut und vielen weiteren Instituten die Plattform. Alle Daten sind dort mit einer offenen Lizenz versehen und erlauben eine Weiternutzung durch Dritte. Seit 2020 bauen wir um die OEP die Open Energy Family als kollaboratives Framework mit Daten und Werkzeugen für das Management von Forschungsdaten. Seit März 2023 haben wir die Möglichkeit diese Tools und Infrastruktur in die Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) im Projekt NFDI4Energy einzubringen. Wir machen das schon sehr lange und mit viel Engagement.


Wie beurteilt ihr die aktuellen Rahmenbedingungen für Open Science? Kann etwas verbessert werden?

Editha: Dank der bestehenden Förderbedingungen im Energieforschungsprogramm des BMWK (ehemals BMWi) konnten wir mit unseren Partnerinstituten die Möglichkeiten von OS erforschen und erfolgreich anwenden. Es hat sich viel getan und insgesamt scheinen uns gute Rahmenbedingungen geschaffen worden zu sein, um in Deutschland gut auf dem Gebiet arbeiten zu können. Wir freuen uns, wenn sich diese Entwicklung fortsetzt.

Ludwig: Werden die Grundsätze aus dem Eckpunktepapier Open Science in der Energiesystemanalyse in das demnächst beginnende 8. Energieforschungsprogramm übernommen, wird aus dem Prinzip „open by choice“ ein „open by default“. Das wird dem ganzen Thema einen weiteren, riesigen Schub geben, da dann alle Forschungsinstitute in unserem Feld nach den Open-Science-Prinzipien arbeiten müssen. Die Herausforderung wird jetzt sein, dass daraus auch nachhaltige Kooperationen und Zusammenarbeiten entstehen.


Welche Rolle spielt Open Science bei der Energiewende und für das Ziel 100 % Erneuerbare Energien?

Editha: Die Erkenntnisse zu den Auswirkungen des Klimawandels sind nicht neu und Forschende arbeiten weltweit an Lösungen für die Energiewende. Seit 13 Jahren sind wir als RLI mit angewandter Forschung aktiv daran beteiligt. Im Prinzip OS sehen wir das nötige Innovationspotenzial, das vielleicht in den vergangenen Jahrzehnten gefehlt hat, um den Prozess zu beschleunigen. OS bewirkt eine Öffnung der Wissenschaft insgesamt und das ermöglicht auch mehr Teilhabe der Gesellschaft, zum Beispiel durch mehr Transparenz, Partizipation und Kooperationen beim Thema Energiewende. Klimawandel und Energiewende sind Aufgaben, die wir nur gemeinsam lösen können, deshalb braucht es die weitere Öffnung der Wissenschaft.

Ludwig: Open Science bedeutet zwar an einigen Stellen einen Mehraufwand im bereits anspruchsvollen und stressigen Alltag von Forschenden, die Arbeiten decken sich aber grundsätzlich mit den Vorgaben der guten wissenschaftlichen Praxis und den gesellschaftlichen Verpflichtungen unseres Bereiches. Wir werden auch in den kommenden Jahrzehnten diesen Weg weitergehen und unserer Vorreiterrolle im Bereich Open Science in der Energiesystemforschung gerecht werden.

WordPress Appliance - Powered by TurnKey Linux